· 

Kunst machen mit Blick auf den Raum dazwischen

In diesem Blog Beitrag beschreibt Teresa Distelberger einige Erfahrungen aus unsere langjährigen Zusammenarbeit.

Es gibt viele Arten von Kunst, und viele Arten, Kunst zu machen. Karoline Maria hat mich in den letzten 9 Jahren dabei begleitet, durch so manche persönlich herausfordernde Zeit zu gehen und mich auf meinem Lebensweg immer klarer auszurichten. Inzwischen fühle ich mich immer mehr „angekommen“ in meinem Berufsfeld als Dokumentarfilmregisseurin und Künstlerin und habe angefangen, Karoline Maria auch immer wieder in meine beruflichen künstlerischen Projekte einzuladen.  

 

Beim jährlichen „Salon der Heimatgefühle“ in Wien haben wir 2018 unsere intensivere Zusammenarbeit im Sinne einer Projektbegleitung begonnen und über die Jahre herausgefunden, in welcher Form ihre Fähigkeiten am besten den künstlerischen Prozess unterstützen. In meinem Projekt „Vielschichtige Geschichte(n)“ im Rahmen des Festivals der Regionen 2021 in Bad Ischl/Bad Goisern/Hallstatt konnten wir auf den bisherigen Erfahrungen aufbauen und Karoline Marias Begleitung hat wesentlich dazu beigetragen, dass ich dieses sehr umfangreiche künstlerische Erinnerungskultur-Projekt, das die Zusammenarbeit mit mehreren Schulen und der Bevölkerung, eine Kooperation mit Historiker*innen, Dialogveranstaltungen, Kurzfilmdrehs, Installationen im öffentlichen Raum, Lesungen und Performances umfasste, mit letztendlich viel positiver Resonanz umsetzen konnte.

 

„Bring Dinge in Ordnung, bevor sie ein Fakt sind.“ – dieser Satz aus dem Tao te Ching ist uns beiden ein wichtiger Leitstern und dementsprechend findet die intensivste Phase des Projektcoachings oft am Anfang statt, quasi noch bevor das Projekt beginnt bzw. in der ersten Zeit in welcher durch die inhaltliche Ausrichtung, durch die Absprachen mit den Veranstaltern/Kooperationspartnern und durch die Entscheidung der Teamkonstellation Weichen gestellt werden, die alles Weitere prägen. Im Gespräch mit Karoline entsteht für mich ein Blick mit einer „höheren Auflösung“ auf die Potentiale und auch auf die möglichen Problemstellen eines Projekts – alles wird klarer sichtbar. Indem ich mit ihr die Projekt-Komposition von Beginn an immer wieder kontempliere und die dabei aufkommenden Sorgen und Gefühle im Coaching prozessieren und ausdrücken kann, lösen sich viele Spannungsfelder oft schon im Vorhinein, weil ich danach anders hineingehen kann in die Zusammenarbeit mit meinen Kolleg*innen oder in die Herausarbeitung eines wichtigen inhaltlichen Aspekt des Projekts. 

 

Nach diesem intensiven Start gibt es während des Projekts oft längere Phasen in denen ich wieder sehr selbstständig arbeite und so manche Hinweise dabei noch „im Ohr“ habe, wenn Herausforderungen auftauchen. In diesen Zeiten reicht es mir oft, Karoline Maria eine Sprachnachricht zu hinterlassen, wenn mich irgendetwas intensiver beschäftigt – alleine das Sprechen hilft mir da meist schon mich zu klären – und dann bekomme ich per Sprachnachricht Feedback von ihr. Manchmal ist es auch so, dass alleine das Bezeugen mir schon hilft. Da ist jemand, die sieht und versteht was ich gerade erlebe, ich bin damit nicht alleine, wir blicken gemeinsam auf das, was sich im Projekt gerade zeigt und bezeugen es. Der Effekt dieser geteilten Präsenz ist nicht zu unterschätzen und diese Art von „Raumhalten aus der Ferne“ ist eine von Karoline Marias Spezialitäten. 

Ich bin in meinen Projekten oft mit einem hohen Grad an zwischenmenschlicher Komplexität konfrontiert, besonders wenn ich mit Themen wie der NS-Vergangenheit eines Ortes arbeite, wodurch immer auch die Ebene des kollektiven und transgenerationalen Traumas berührt wird. Ich bin keine Therapeutin und es ist mir jedoch wichtig als Künstlerin eine traumainformierte Arbeitsweise zu entwickeln, in der ich auftauchende Traumasymptome im Projekt sehr bewusst beobachte und historische Zusammenhänge erkenne. Auch in Interviews mit Menschen vor Ort höre ich oft wie verschiedene Traumata aus der NS-Zeit in den Nachfahren von Opfern, Tätern und Mitläufern des Regimes nachwirken. In meinen künstlerischen Entscheidungen gehe ich sehr behutsam mit diesen Wahrnehmungen um und mir ist bewusst, dass ich selbst auch in dieses transgenerationale Traumafeld eingewoben bin durch meine Großeltern, die in der NS-Zeit in Österreich lebten und durch mein Aufwachsen in diesem Land. Die traumainformierte Perspektive hilft mir z.B. zu erkennen welche Dynamiken zwischen mir und meinem jüdischen Kollegen/Festivalleiter möglicherweise nicht alleine mit dem Hier und Heute zu tun haben, sondern mit dem, was aus der Vergangenheit noch nachwirkt, sich zumindest in mir zeigt als Befangenheit. Karoline Maria hilft mir in solchen Momenten die größeren Zusammenhänge zu sehen, durchzugehen, mit dem zu sein, was ist, und mich dabei immer wieder selbst gut zu spüren in meinen verschiedenen inneren Anteilen.

Ein weiterer Bereich der Begleitung ist die Arbeit mit dem Team und das Feedback zur konkreten künstlerischen Umsetzung im Probenprozess. Ein Teil des Projekts „Vielschichtige Geschichte(n)“ war eine Performance von Simon Mayer in meiner Installation „Stille Zeugen“ – das waren Möbelstücke und ein Flügel, die aus der Erde ragten so als ob sie halb im Untergrund steckten. Diese Installation im Sisi Park hat inhaltlich darauf verwiesen, dass viele Villen von ehemals jüdischen Besitzer*innen in Bad Ischl arisiert wurden und nach der Restitution das Inventar oft nicht mehr zurückgegeben wurde. 

Simon Mayer ging in der Rolle eines Erben solcher Möbelstücke mit der Installation in einen performativen Dialog. Während der Proben war Karoline Maria dann erstmals vor Ort dabei und half uns, diese schwierige Rolle hineinfühlend zu erforschen und die passende Dosis an Intensität für dieses Stück zu finden. Wie viel kann das Publikum nehmen? Was wäre einfach nur überfordernd und dadurch nicht mehr produktiv, weil zu viele Menschen sich instinktiv verschließen? In welchem Spektrum an Intensität holen wir die Leute am besten ab, und können sie im besten Fall sogar neugierig machen, sich mit diesen Fragen selbst weiter zu beschäftigen?

Durch die gemeinsame konzentrierte Arbeit war es uns trotz der kurzen Probenzeit möglich, ein sehr kraftvolles Stück zu kreieren in dem sich Simon Mayer sehr tief auf seine Rolle einlassen konnte, was – angesichts der vielen positiven Rückmeldungen – einen starken Eindruck beim Publikum hinterließ. Simon Mayer beschrieb mir im Nachhinein, dass er das von Karoline Maria und mir bereitete Feld sehr unterstützend wahrnahm und darin auf eine Art und Weise performen konnte, die ihn selbst überraschte.

 

Im Rahmen des Festivals der Regionen konnte ich darüber hinaus auch von ihrem professionellen Hintergrund in Körperarbeit und Shiatsu profitieren als ich mit ihr im Dialog meinen Ansatz der „Kulturellen Akupunktur“ entwickelte. Mein Konzept beinhaltete Installationen im öffentlichen Raum in der Form von überdimensionalen Stecknadeln, die metaphorisch auch als Akupunkturnadeln gesehen werden können. Diese Nadeln trugen historische Informationen in Form einer Schriftrolle in sich und wurden an bewusst gewählten Orten mit vielschichtigen Geschichte(n) gesetzt. Auch in der Erinnerungskultur stellt sich die Frage, wie wir als Gesellschaft mit historischen Schmerzpunkten umgehen. Wo ist es hilfreich, mal direkt draufzudrücken, welche Stellen brauchen eher eine sanfte Berührung, um aus dem tauben Zustand langsam aufzutauen? Wie kann ich dabei als Künstlerin bewusst mit meinen eigenen inneren Haltungen dabei umgehen? Im Coaching mit Karoline Maria habe ich beispielsweise meinen rebellischen Impuls erforscht, wie ein Teenager dem Ort etwas „hinzuknallen“ und sie zum Hinschauen zu zwingen wollen – im gemeinsamen Bewegen dieser Energie in mir hat sich meine Haltung dann in den Monaten der Vorbereitung gewandelt und ich konnte die selben Objekte mit einer sanfteren und eleganteren Haltung im öffentlichen Raum platzieren, eher mit einem „Schau mal, das ist auch da, egal ob wir gerade hinschauen oder nicht“. Es war mir möglich, trotz des geladenen Themas aus einer inneren Ruhe heraus zu handeln und den Leuten vor Ort zu begegnen, was meiner Meinung nach wesentlich dazu beigetragen hat dass das Projekt von sehr vielen Menschen vor Ort sehr positiv aufgenommen und der Impuls auch weiter hinzuschauen dankbar aufgegriffen wurde. 

 

Ein weiterer Aspekt der Arbeit mit dem Team ist die Beziehungsraumpflege untereinander und die individuelle Arbeit mit einzelnen Teammitgliedern. In meinen Projekten ist es oft ein integraler Bestandteil der künstlerischen Arbeit dass die kooperierenden Künstler*innen im Team auch selbst gut auf das Thema einstimmen und tw. inhaltliche Beiträge auf Basis ihrer eigenen Erkenntnisse entwickeln können. Im Fall des Salons der Heimatgefühle 2020 haben wir uns diesem Prozess im Team über mehrere Monate hinweg mit Karoline wöchentlich gewidmet und dabei neben inhaltlichen Erforschungen, auftauchende Spannungen im Team gleich ausgesprochen und wichtige Basic-Tools für die Zusammenarbeit gelernt. Da Karoline Maria in meinen Projekten von Anfang an einen klaren Platz als Begleiterin des Gesamtprozesses einnimmt, ist es bei auftauchenden individuellen oder teaminternen Problemen leicht, die punktuelle Coaching-Begleitung von ihr sehr effektiv einzusetzen, da sie über das Gesamtprojekt Bescheid weiß und ihre Einzelinterventionen immer im Sinne des Ganzen eingebettet sind.

 

Die Werkzeuge von Karoline Maria – Selbstkontakt, Beziehungsraumpflege, Energetische Nachhaltigkeit, traumainformiertes Handeln – und der Fokus auf „Bringe Dinge in Ordnung bevor sie ein Fakt sind.“ begleiten mich inzwischen in allen Phasen meiner künstlerischen Arbeit indem ich sie immer wieder selbstständig anwende oder gemeinsam mit Karoline Maria im Coaching vertiefe. Diese beständige Praxis bringt Klarheit in mein Leben und Wirken, sie hilft mir stimmige Entscheidungen zu treffen für meine jeweils nächsten Schritte. 

 

Liebe Karoline, danke für diesen lehrreichen Weg der vergangenen 9 Jahre.  Ich freue mich auf all das, was noch vor uns liegt.


Impressionen zum Festival der Regionen Projekt: Vielschichtige Geschichten